Gestern morgen war ich wieder beim County Court - diesmal ging es um einen Personenschaden. Ein kleiner Junge war bei einem Autounfall verletzt worden und seine Eltern verlangten nun Schadensersatz und Schmerzensgeld. Die solicitors beider Parteien hatten sich zwar schon vorab auf eine Summe geeinigt, allerdings musste diese nun noch von einem Richter abgesegnet werden, weil im Namen eines Kindes geklagt wurde. In England darf der Klaeger in solchen Faellen nicht selbst ueber die Hoehe seiner Forderung entscheiden. Auch wird das Geld nicht sofort ausgezahlt, sondern angelegt und kann nur in Ausnahmefaellen (beispielsweise zu Ausbildungszwecken) vor dem 18. Geburtstag des Kindes ganz oder teilweise ausgezahlt werden.
Danach fragte mich der Barrister, den ich zum Gericht begleitet hatte, ob ich mir noch eine Strafsache im benachbarten Crown Court anhoeren wollte. Er half mir dann, eine interessante Verhandlung zu finden. Es ging um einen Fall von Einbruchdiebstahl. Als ich den Gerichtssaal betrat, wurde gerade die Jury eingeschworen.
Fuer mich als Deutsche war das natuerlich sehr spektakulaer - Jury Trials kennt man ja sonst nur aus amerikanischen Filmen. Die Anhoerung der Zeugen erwies sich dann allerdings als etwas langatmig. Der erste Zeuge (ein Taxifahrer, der fuer das Unternehmen arbeitete, auf dessen Gelaende der Einbruchsdiebstahl begangen worden war) litt unter einer Lernbehinderung, weshalb er Schwierigkeiten hatte, die Fragen des Staatsanwalts, der Verteidigerin und des Richters zu verstehen. Der zweite Zeuge war zwar eloquenter, allerdings verlief auch seine Befragung schleppend, da er die Richtigkeit der Darstellung des Betriebsgelaendes auf einer Karte, die den Juroren zuvor ausgehaendigt worden war, bezweifelte. Dies fuehrte zu langen Diskussionen mit dem Richter und der Verteidigerin. Am Ende seiner Befragung waren seit Beginn des Termins bereits mehr als zwei Stunden vergangen, und ich hatte nicht den Eindruck, als waeren wir der Wahrheit naeher gekommen. Da noch weitere Zeugen angehoert werden sollten, beschloss ich die Verhandlung zu verlassen.
Alles in allem hat konnte ich mir jedoch einen guten Eindruck vom Ablauf eines Strafprozesses in England verschaffen, der sich (nicht nur wegen des Jury Systems) deutlich von dem in Deutschland unterscheidet. Waehrend bei uns trotz bestimmter Formen und Rituale die Verhandlung ja eher in Dialogform stattfindet, hatte ich hier phasenweise den Eindruck, mich im Theater zu befinden. (nicht nur wegen der Perruecken und der etwas gewoehnungsbeduerftigen Farben der Robe des Richters J ) Man merkte deutlich, dass sich die Form des Englischen Strafprozesses noch sehr stark an die Tradition vergangener Jahrhunderte anlehnt.
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